Brexit: aktueller Stand der zollrechtlichen Auswirkungen

Nach der Abstimmung im House of Commons am 29. Januar 2019 sieht es so aus als würden sich beide Parteien nicht mehr rechtzeitig auf ein Austrittsabkommen einigen können.
Beim Brexit ist allerdings alles möglich. Es kann also sein, dass dieser Text schon in den nächsten 10 Minuten teilweise nicht mehr aktuell ist. Wir versuchen Änderungen schnellstmöglich hier zu ergänzen.
Wenn Sie Fragen haben, können Sie diese gern stellen. Den Frage-/Antwortbereich finden Sie unter dem Artikel (die Registrierung bei Disqus ist kostenfrei).

Mögliche Szenarien

Aktuell sind folgende Szenarien beim Austritt des UK aus der EU möglich:

 

Kern des Problems

Es gibt drei Kernprobleme, die die Verhandlungen zwischen dem UK und der EU so schwierig machen.

Chart Barnier September 2017

Jede Variante hat ihren Preis. Selbst die wenig integrierte Türkei muss Zollbestimmungen und Handelsrestriktionen der EU in diesem Bereich ohne Mitspracherecht nachvollziehen.

 

Folgen des Brexit im Zollbereich für Logistik und Handel

Der Brexit – geregelt oder ungeregelt – hat weitreichende Folgen auf die Zollprozesse in den Unternehmen. Die praktischen Probleme sind gravierend und können keinesfalls damit abgetan werden, dass UK dann nur ein weiteres Drittland sei, dass beliefert wird.

Zollformalitäten in der Ein- und Ausfuhr

Zukünftig müssen alle Waren im Handel mit UK – ein- und ausgehend – förmlich angemeldet werden. Hierfür benötigt man neben zertifizierter Software auch das entsprechende know-how, um die Anmeldung rechtskonform zu gestalten.

Eine Zollanmeldung ist eine Steuererklärung gemäß Unionszollkodex und der deutschen Abgabenordnung, mit entsprechenden Konsequenzen bei Fehlern.

Zu der Erfüllung der Ausfuhrförmlichkeiten und der Erbringung der Nachweise für die steuerfreie Ausfuhrlieferung, kommen wir gleich noch zu einem Exkurs.

Zölle auf EU/UK Waren

UK und EU können die Importe gegenseitig mit Zöllen belegen. UK hat die Zollsätze bereits der WTO gemeldet und veröffentlicht. Der zur Zeit vorliegende Tarif des UK ist bei den Wertangaben noch in Euro und wird sich sehr wahrscheinlich noch ändern. Die Zollsätze sind, bis auf die Kontingente, eine Kopie des Gemeinsamen Zolltarifs der EU und treten bei einem Austrittsabkommen am Ende der Übergangsphase, oder bei einem no deal am 30. März 2019 in Kraft. Auf eine Aufteilung der Zollkontingente hat man sich schon geeinigt.

Nachweise für den Warenursprung ggfs. erforderlich

Im Binnenmarkt muss der Ursprung einer Ware bei innergemeinschaftlichen Lieferungen i.d.R. nicht nachgewiesen werden. Dies ändert sich, wenn UK aus dem Binnenmarkt ausscheidet.

Ein praktisches Problem ist die Frage, wie Irland, das weiterhin Mitglied der EU bleiben wird,  künftig beliefert werden kann. Viele Lieferketten sind aktuell so aufgebaut, dass Irland innerhalb des Binnenmarktes problemlos über Großbritannien beliefert wird und die Waren in UK ohne Zollverfahren zwischengelagert werden.

Im Falle des Austritts gibt es nur zwei Möglichkeiten:

Was mit Waren passiert, die sich vor dem Brexit schon in UK befunden haben und nach dem Brexit nach Irland geliefert werden sollen, ist zur Zeit noch unklar.

Die pragmatischste Lösung wäre, für diese Waren ein INF3 auszustellen, welches den Unionsstatus der Waren nachweist und mit dem die Waren dann problemlos ohne Abgaben in Irland eingeführt werden könnten. Das INF3 wird jedoch zurzeit nur im Zusammenhang mit einer Ausfuhrlieferung von den Zollbehörden ausgestellt. Hier bedarf es einer Sonderregelung, die es noch nicht gibt.

Eine ähnliche Problematik ergibt sich für Waren, die sich schon vor dem Brexit in UK befunden haben, aber z.B. in ein Werk nach Deutschland zurückgeliefert werden sollen. Für eine Rückwarenabfertigung müssen entsprechende Nachweise über die Ausfuhr erbracht werden, die es beim Handel im Binnenmarkt nicht gibt (z.B. eine Ausfuhranmeldung).

Waren mit Ursprung UK gelten nicht mehr als EU Waren

Wenn Vormaterialien zur Fertigung aus UK bezogen werden, haben diese keinen EU Ursprung mehr und beeinflussen damit die Präferenzkalkulation für Fertigprodukte. Dies kann, je nach Anteil dieser Vormaterialien am Fertigprodukt, dazu führen, dass keine Präferenznachweise mehr für diese Ware ausgestellt werden können, da die Listenbedingungen nicht mehr eingehalten werden. Dies kann zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen, da der Käufer im Drittland die Waren bislang meist zollfrei bezogen hat, dann aber nur noch zum Drittlandszollsatz importieren kann.

Dies gilt ausdrücklich auch während der Übergangsphase, wenn ein Austrittsabkommen zustande kommt, und nicht nur bei einem no deal!

Freihandelsabkommen der EU können für UK Waren nicht mehr genutzt werden

Heute noch genutzte Freihandelsabkommen, die die EU mit wichtigen Handelspartnern wie zum Beispiel Kanada, Südkorea oder jetzt auch ganz neu Japan getroffen hat, können für Waren mit Ursprung UK nicht mehr genutzt werden. Die Abkommen wurden von der EU ausgehandelt und kommen auch nur den Mitgliedstaaten zugute.

Dieser Nachteil betrifft sowohl Exporte von Waren mit UK Ursprung, die aus Deutschland als auch direkt aus UK exportiert werden.

Exportkontrolle

Exportkontrollrechtliche Vorschriften sind zukünftig auch bei der Belieferung des UK einzuhalten. Länderbezogene Sanktionen sind kurzfristig zwar nicht zu erwarten, jedoch sind die Vorschriften der Dual-Use-Verordnung zukünftig auch bei der Belieferung des UK zu beachten. Das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) hat für UK die Erteilung von Allgemeinen Genehmigungen angekündigt, diese sind jedoch noch nicht veröffentlicht und entbinden nicht von der Pflicht zur Durchführung der Exportkontrolle.

Update Exportkontrolle: https://porath.com/de/brexit-und-exportkontrolle-bafa-beabsichtigt-einfuehrung-allgemeiner-genehmigungen-fuer-das-vereinigte-koenigreich/

Zusätzliche Folgen bei einem no deal

Harte Grenze zwischen Irland und Nordirland

Im Falle eines no deal wird UK am 29. März 2019 um 23:00 Uhr zum Drittland. Damit wird unter anderem die Grenze zwischen Nordirland und Irland zur Außengrenze der EU. Diese muss zwangsläufig auch entsprechend geschützt werden.

Für die Erhebung von Eingangsabgaben und die Überwachung der Zollformalitäten gibt es technische Lösungen. Die Weltzollorganisation hat am 26. Januar 2019, dem International Customs Day, auch das entsprechende Motto für den Arbeitsschwerpunkt in diesem Jahr ausgerufen: SMART BORDERS.

Solche technischen Lösungen sind in der Kürze der Zeit aber nicht zu realisieren. Oft wird bei dieser Diskussion auch vergessen, dass der Zoll bei der Überwachung des Warenverkehrs auch eine Vielzahl von Mitwirkungspflichten hat, die mit Zoll direkt nichts zu tun haben.

Beispiele hierfür sind veterinärrechtliche Kontrollen, Produktsicherheit oder die Marken- und Produktpiraterie. Bei einer Grenze ohne physische Kontrollen müssen auch noch Lösungen entwickelt werden, um Schmuggel und Menschenhandel unter Kontrolle zu halten. Allein durch Drohnen ist dies nicht zu bewältigen.

Unkalkulierbare nicht-tarifäre Handelshemmnisse

Im Falle eines Austrittsabkommens wären viele Dinge geregelt, die den Handel zwischen der EU und UK weiterhin so einfach wie möglich machen. Ohne Deal wären dem Protektionismus, wie er im Agrarbereich auch von der EU z.B. durch die berühmte Bananenverordnung betrieben wird, Tür und Tor geöffnet.

Keine Übergangszeit von 2 Jahren

Im März 2018 wurde im Rahmen der Verhandlungen zum Austrittsabkommen mit dem UK vereinbart, dass es eine 21-monatige Übergangsphase bis Ende 2020 geben soll, in der UK in der Zollunion und im Binnenmarkt bleiben würde. Diese Übergangsphase wird es im Falle eines no deals nicht geben.

Staus in Dover/Calais?

Über die Auswirkungen auf den Verkehr durch den Eurotunnel wird viel spekuliert. Während man sich auf unserer Seite Sorgen macht, dass es 50 Kilometer lange Staus vor dem Eurotunnel geben wird, weil in Dover jeder LKW kontrolliert wird, sind die Briten der Meinung, dass am 30. März die LKWs genauso weiter fahren werden wie vorher. Denn es stehen schlicht die Zöllner und die Infrastruktur nicht zur Verfügung, um die ca. 10.000 LKW täglich zu kontrollieren. Auf britischer Seite macht man sich eher Sorgen darum, dass die Franzosen in Calais für Staus sorgen werden, die LKWs auf UK nicht mehr herauskommen und es durch die daraus folgende Verzögerung bei den Importen zu Lieferengpässen kommen wird.

Aufgrund dieser Spekulation gibt es schon einige Initiativen, um den Unternehmen Alternativen zu bieten. So gibt es z.B. zusätzliche Flugverbindungen ab Frankfurt und Luxemburg nach UK, bereits eingestellte Fährverbindungen werden wieder aufgenommen, und Feederdienste bieten Transporte per Schiff nach UK an. So hat z.B. die Reederei Unifeeder eine direkte Linie aus dem polnischen Gdynia, wo wir Exporteure auch mit der Abwicklung von Zollformalitäten unterstützen können, direkt zum London Gateway von DP World angekündigt.

Keine Staus scheint bei HMRC hohe Priorität zu haben. Geplant ist die Umsetzung eines Konzepts, das an die Selbstveranlagung für AEO erinnert. Der Importeur muss sich hierfür formlos als Trusted Trader registrieren, ohne dass er besondere Voraussetzungen (wie z.B. beim AEO) erfüllen muss, und bekommt eine Bewilligung. Der Transporteur gibt an der Grenze zum UK nur eine einfache summarische Anmeldung ab. Die Zollanmeldung wird dann später vom Importeur an den Zoll übermittelt. Für Importeure die Trusted Trader sind, entfällt auch die Zahlung der VAT bei der Einfuhr.

Update 6. Februar 2019: Die Details zu diesem Verfahren wurden inzwischen veröffentlicht. Details finden Sie in unserem Blog-Artikel

Brexit: EU-Importe können bei einem „no-deal“-Szenario übergangsweise vereinfacht eingeführt werden

Das Problem, dass die Abfertigung in Dover linear erfolgt, bleibt. Alle LKWs, egal ob voll, leer, Trusted Trader oder nicht, stehen in der gleichen Schlange an.

Produktregistrierungen werden ungültig

Unternehmen, die ihre Produkte im UK registriert haben, müssen schnellstmöglich diese Registrierung in einem der anderen 27 Mitgliedstaaten erneut durchführen oder diese übertragen lassen. Betroffen sind z.B. Produkte, die unter REACH fallen – REACH ist eine EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien, oder Produkte, für die eine CE Kennzeichnung erforderlich ist und die Konformitätsbewertung im UK erfolgt ist.

Nachweise bei einer steuerfreien Ausfuhrlieferung

Lieferungen nach UK werden zurzeit als steuerfreie, innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt. Hierfür sind keine Zollformalitäten notwendig. Voraussetzung ist lediglich eine gültige Umsatzsteuer ID des Exporteurs, sowie des Käufers im Bestimmungsland, sowie die Einhaltung der umsatzsteuerlichen Regeln zu innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Als Nachweis, dass die Lieferung im Bestimmungsland angekommen ist, gibt es in Deutschland die sogenannte Gelangensbestätigung. Die Umsetzung zur Erlangung dieses Nachweises ist sehr wirtschaftsfreundlich umgesetzt worden, denn diese Bestätigung kann auch elektronisch ohne Unterschrift erfolgen.

Zukünftig werden Ausfuhren in das UK zwar noch steuerfrei sein, jedoch mit anderen Regeln. Exporte unterliegen dann Zollformalitäten und es müssen für alle Sendungen förmliche Ausfuhranmeldungen abgegeben werden.

Damit die Ausfuhr als steuerfrei durch die Finanzämter anerkannt wird, ist im Umsatzsteuer Anwendungserlass der Ausgangsvermerk aus dem IT-System ATLAS als Nachweis vorgesehen, der durch die Erledigung des Verfahrens bei der Ausgangszollstelle an der EU-Außengrenze erfolgt. Im Falle von Dover wäre das Calais.

Ob die französische Zollverwaltung darauf vorbereitet ist, für tausende LKWs am Tag vor Ort die Gestellung zur Ausfuhr zu bestätigen, bleibt abzuwarten. Es sind dafür eine Menge Zöllner und IT-Infrastruktur notwendig. Sollte es hierbei Probleme geben, wenn z.B. LKWs nach wie vor unkontrolliert durch den Eurotunnel fahren, da keine Kontrollen stattfinden, stünden Exporteure mit vielen unerledigten Ausfuhrverfahren da und hätten keine Nachweise darüber, dass die Ware überhaupt ausgeführt wurde – weder zollrechtlich noch umsatzsteuerrechtlich. Als Alternativnachweis kommt hier die weiße Spediteurbescheinigung in Betracht. Dies bedeutet aber einen zusätzlichen administrativen Aufwand, der auch seinen Preis hat.

Eine pragmatische Lösung wäre z.B., wenn das BMF im Falle eines no deals, die bislang für innergemeinschaftliche Lieferungen gültigen Nachweise weiterhin auch für Ausfuhren ins UK anerkennen würde.

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